
Interview mit der Autorin
Welche wahre Begebenheit verbirgt sich hinter Ihrem Roman?
Als ich meinen Mann heiratete und seinen Nachnamen »Levensohn« annahm, wurde ich, ohne es zunächst zu wissen, die Namensvetterin seiner Großcousine. Melanie lebte als junge Studentin in Frankreich und wurde 1943 nach Auschwitz deportiert. Niemand weiß mit absoluter Gewissheit, ob sie das Konzentrationslager überlebt hat oder nicht.
Mein Mann erfuhr erst 2005 von diesem Teil seiner Familiengeschichte, als Melanies Halbschwester, Jacobina Löwensohn, sie nebenbei erwähnte. Ihr Vater Lica hatte Jacobina am Sterbebett von der unbekannten Schwester erzählt und ihr das Versprechen abgenommen, sie zu suchen. Zehn Jahre hat Jacobina nach Melanie Levensohn recherchiert. Dabei hat sie unzählige Menschen kontaktiert und Institutionen besucht. Alle Spuren endeten in Auschwitz. Es gibt einen Ordner von Jacobina mit Faxen, Briefen und Dokumenten. Dieser Ordner »Melanie Levensohn« stand bei meinem Mann im Büro. Vor ein paar Jahren habe ich ihn entdeckt und bin in ihr trauriges Schicksal eingetaucht.
Was ist Ihre Lieblingsstelle im Roman?
Das erste Kapitel. Es steht wie eine eigene Geschichte für sich und zeichnet eine tragische, fast lähmende Stimmung. Es geht um Vater und Tochter, zwei sehr unglückliche Menschen, die einander nicht verzeihen können. Doch am Ende löst sich alles mit einer sehr emotionalen Versöhnung und dem Tod des Vaters auf. Es bleibt zwar eine dunkle Atmosphäre, gleichzeitig kommt aber auch etwas Positives, Beruhigendes hinzu.
Was möchten Sie mit dem Roman den Lesern sagen?
Gib deine Träume niemals auf! Die Protagonistin Béatrice ist eine moderne Frau, erfolgreich, unabhängig, gleichzeitig aber auch zerrissen und einsam. Im Verlauf der Geschichte entwickelt sie sich von einer eher selbstsüchtigen Person hin zu jemandem, der sich um seine Mitmenschen sorgt – und dabei auch selbst Glück findet. Eine weitere Botschaft meines Buches beruht auf dem hebräischen »Tikkun Olam«. Es bedeutet so viel wie »die Welt reparieren«. Im Alltag heißt das, anderen zu helfen und sich gemeinsame Ziele zu setzen. Die Suche nach der im Holocaust verschwundenen Schwester, aber auch die wachsende Freundschaft zwischen Béatrice und der hilfsbedürftigen Jacobina sind Beispiele für »Tikkun Olam«.
Wann und wo schreiben Sie am liebsten?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich überall schreiben kann. Im Café, im Zug und sogar im Kindergarten, wenn ich auf meine Tochter warte. Am liebsten schreibe ich ganz früh morgens, bevor alle anderen aufwachen. Meine kreativste Zeit ist zwischen 4.30 und 7 Uhr.
Sie haben schon an vielen Orten auf der Welt gelebt. Über welche Stationen kamen Sie schließlich nach Kalifornien?
Ich habe in Köln, Paris und Santiago de Chile Literatur und Internationale Beziehungen studiert. 1999 bin ich für zwei Jahre in die USA gezogen, um für die Weltbank in Washington D.C. zu arbeiten. Dann holte mich die Weltgesundheitsorganisation nach Genf. Fünf Jahre war ich für die WHO als Pressesprecherin in der ganzen Welt tätig. 2006 hat mir die Weltbank ein Jobangebot gemacht, dem ich nicht widerstehen konnte, und so ging ich wieder nach Washington zurück. Vor sechs Jahren habe ich dann meinen Mann kennengelernt und bin zu ihm nach Kalifornien gezogen. Seitdem wohnen wir mit unserer Tochter im Napa Valley.
Wie ging es dann für Sie weiter?
Diese Fügung, dass nach genau siebzig Jahren wieder eine Melanie Levensohn in die Familie zurückkehrte – auch noch aus Deutschland –, war für die Angehörigen meines Mannes und für uns ein emotionales Erdbeben. Mein identischer Name und Melanies Schicksal haben mich nicht mehr losgelassen. Schnell wurde mir klar, dass ich ihr ein Andenken schaffen musste. Und so ist dieses Buch entstanden. Mein Roman ist jedoch keine Biographie, die Charaktere sind alle erdacht.
Sie leben auf einem Weingut und bauen auch selber Wein an. Verkaufen Sie Ihren Wein auch oder ist er nur für den Eigenbedarf?
Wir haben zwei Hektar Land, auf dem wir Cabernet Sauvignon anbauen. Einen Großteil des Traubenertrags verkaufen wir, aus dem Rest produzieren wir unseren eigenen Bio-Wein. Das Levensohn-Weinlabel war das erste gemeinsame Projekt von meinem Mann und mir. Wir haben ganz klein begonnen und das Geschäft Schritt für Schritt ausgebaut und professionalisiert. Mittlerweile arbeiten wir mit einem renommierten Weinmacher aus Bordeaux zusammen und haben im Januar 2018 vom Wine Advocate 95 Parker-Punkte bekommen. Das war eine besondere Auszeichnung für uns. Die Arbeit mit dem Wein ist zwar nur eine Nebenbeschäftigung, aber die Produktion und Vermarktung nehmen viel Zeit in Anspruch. Unser Wein wird primär in Amerika verkauft, natürlich auf unserer Website – levensohnvineyards.com – und in einigen ausgewählten Weinläden und Restaurants in Frankreich, Deutschland und der Schweiz.